Abhängig
Ein junger Mannsitzt alleine in einer Gefängniszelle und wartet auf seinen Berufungsprozess. Erweiß nicht so recht, was auf ihn zukommt. Und schon gar nicht scheint ihmbewusst zu sein, warum er hier gelandet ist. Er ist einsam. Der Anwalt kommt nurselten für kurze Gespräche, die Wärter steigen nicht auf seine Kontaktversucheein. Bei den Hofrundgängen trottet er sprachlos hinter den anderen Gefangenenim Kreis, das Gespräch mit der Psychologin verweigert er.
So ist er ganzseinen Gedanken überlassen. Diese mäandern zwischen den Anforderungen, sich imGefängnisleben einzufinden und seinem Leben davor. Auch dort war sein Umfeldeng: Er wächst bei seinen Großeltern auf, hat keine Freunde. Die Rolle desGroßvaters ist übermächtig. Der ehemalige Schuldirektor bindet seinen Enkelganz eng an sich und stürzt sich auf dessen Ausbildung zum Pianisten. Fördertden „kleinen Mozart“. Das Umfeld spielt mit – dem mächtigen Mann scheintniemand Einhalt gebieten zu können oder zu wollen. Bis der Enkel des Mordes anseiner Großmutter beschuldigt wird.
Beklemmend engist die Gefängnis-Welt des jungen Mannes. Beklemmend auch die Geschichte seines Lebens bis hin zum grausamen und völlig unverständlichen Mord, die sich im Stromseiner Gedanken langsam auftut. Evelyn Grill schlüpft in die Rolle des jungenBeschuldigten und lässt uns an ansonsten meist unzugänglichen Welten teilhaben.Denn ein ähnlicher Mordfall hat tatsächlich vor einigen Jahren die Gemeinde Taufkirchenan der Pram erschüttert und viele Fragen offengelassen.
So lernen wir einen unmündigen und verunsicherten Maturanten kennen, dessen Sprache ihn deutlich jünger erscheinen lässt. Das irritiert anfangs, verstärkt aber den Eindruck eines Menschen, der bewusst klein gehalten wurde, um den formbar und abhängig zu bleiben.