Auf der Suche nach einem sicheren Hafen
Bei ihren Streifzügen durch die Welt landet die Musikerin O. im Paradies von Calypos. Diese lockt ihre Besucherin zum Bleiben, um auch weiterhin deren Flötenspiel und Erzählungen lauschen zu können. Doch die Reiseerinnerungen und der Kontakt zu Menschen außerhalb von Calypos Reich wecken O.s Entdeckerlust erneut. Sie schließt sich Selma und ihrer Gruppe von flüchtenden Frauen an und verlässt die Insel. So beginnt eine abenteuerliche Irrfahrt auf der Suche nach alter Heimat und neuem sicheren Hafen.
Sabine Scholl hat Homers Odyssee in die moderne Zeit transferiert. Sie schildert die Herausforderungen von flüchtenden Menschen, ihre Hoffnungen, Ängste und ihr Leid am Weg nach einem Leben in Sicherheit. Diese verbindet sie mit den Gestalten und Orten der griechischen Mythologie. So entsteht ein traumähnliches Gewebe, das mit realen modernen Themen verwoben ist. So halten die Frauen über ihre Smartphones Kontakt zu ihren Familien in der alten Heimat. Um danach einen einäugigen Kyklopen zu überlisten, der sie in seiner Wohnhöhle gefangen hält.
O. selbst ist auf ihrer eigenen Suche: Sie muss Frieden finden mit ihrer Kindheit bei einem missbräuchlichen Vater und einer darüber hinwegsehenden, distanzierten Mutter, um bei sich selbst ankommen zu können. Und muss sich dafür ihren Dämonen stellen: „Bevor du die Kraft hast zu reisen, musst du ganz nach unten. Dort wirst du erfahren, was zu tun ist, um weiterzureisen.“
In poetischer Sprache zeichnet Scholl eindrückliche Bilder dieser Welt aus Phantasie und Realität, in der Schönes und Schreckliches oft ganz nahe beieinander liegen. So entsteht eine weibliche Version der alten Heldensage, die berührend, abenteuerlich und aufgrund ihres Bezugs zu aktuellen Flüchtlingsschicksalen teils beinahe unerträglich grausam ist.