Hip-Hop wird erwachsen

Foto: Zoe Fotografie

Zeitlosigkeit wider den Zeitgeist. Dafür steht das Hip-Hop-Label Tonträger Records (TTR). Das wirkt wie ein Widerspruch in sich. Ein kleiner zumindest. Ist Hip-Hop nicht Zeitgeist schlechthin? Immerhin ist er längst Mainstream: In Tanzschulen steht er fix am Programm, Werbespots verwenden seine Beats, Hoodies und Sneakers sind Alltagskleidung.

Wie ist das also, mit der Zeitlosigkeit des Linzer Plattenlabels? Für Label-Gründer und Musiker Philipp Kroll alias Flip sind das Alben, die auch Jahre später noch hörbar sind: „Gegen die oberflächliche Medienlandschaft mit ihren kurzfristigen Popcorn-Effekten setzen wir auf die Langlebigkeit.“

Das äußert sich in der Qualität von Text und Ton, aber auch in nachhaltigen Karrieren, die aufgebaut und unterstützt werden. Und im Vinyl, auf das mindestens 35 der bisher mehr als 50 TTR-Produktionen gepresst wurden.

Eigentlich versteht sich Tonträger Records mehr als Dachmarke und Vernetzungsplattform für qualitativen Hip-Hop-Sound aus Österreich denn als Verwertungsunternehmen. Seit seiner Gründung im Jahr 1998 hat das Label viele Gruppenalben herausgebracht. Dazu kommen jede Menge spannender Kollaborationen von Musikern wie Average und dem kürzlich leider viel zu früh verstorbenen Texta-Mitglied Huckey alias Harald Renner. Neue Gruppen sind entstanden, wie die Markanten Handlungen, die den Mundart-Rap groß gemacht haben.

Da liegt es natürlich auf der Hand, auch das 20-Jahr-Jubiläum mit einem Gemeinschaftsprojekt zu feiern. Im April wurde das TTR Allstars Album „Chefpartie“ veröffentlicht, ein gemeinsames Projekt von Texta, Da Staummtisch, Hinterland, Kayo und Average. Nun wird es auf einer Tour im deutschsprachigen Raum präsentiert.

Linz als ein wichtiges Zentrum des deutschsprachigen Hip-Hop und als Lebensraum, der idealistisch-kritisch betrachtet wird, ist großes Thema auf dem neuen Album. Selbst bei jenen, die mittlerweile woanders leben. „I sitz in Wien in ana Bim doch schreib a Liadl für daham – 4020!“, rappt Average in „High“.

Aber auch das Älterwerden als Rapper wird thematisiert. Wieder so ein kleiner Widerspruch, gilt Hip-Hop doch als Jugendkultur. „Wir sind die erste Generation und probieren es gerade aus. Ich habe kein Problem, mit Mitte 40 zu rappen. Solange ich künstlerisch was zu sagen habe und gerne auf der Bühne stehe, werde ich das machen“, sagt Flip. Da passt es gut, dass TTR zwar schon auch für Spaß und Party steht, dem aber nicht den Anspruch auf Qualität und Zeitlosigkeit opfert. Das ist manchmal eine Gratwanderung, wie beim größten Erfolg des Labels: Skeros „Kabinenparty“ wurde labelintern durchaus auch kritisch gesehen.

Mit ihrer Musik treffen TTR vielleicht nicht den Zeitgeist der ganz Jungen, die sich vor allem mit belanglosem Cloud Rap unterhalten. Aber sie bedienen erfolgreich jene Generation, die mit ihnen erwachsen geworden ist. So stellen Laima und Sam in „Bleibt so“ klar: „Jetzt hob I a Glotzn, da Flip hot a Geheimratseck. Und wer nu kane Kids hot is zumindestens verheiratet. Doch es muass weita gehn, du wirst mi weita feiern seng.“

Infos im Netz: TTR-Webseite und TTR-Facebook-Seite

Dieser Artikel ist im oö. Kulturbericht 7 und 8/2018 erschienen.

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